
Plastikmüll und Zigarettenkippen an fast allen Flussufern
Im Herbst 2018 waren deutschlandweit wieder zahlreiche Jugendliche als Plastikpiraten unterwegs. An fast allen deutschen Flüssen fanden sie auch im vierten Aktionszeitraum des Citizen Science Projektes wieder Plastikmüll und Zigarettenkippen. Eine erste wissenschaftliche Veröffentlichung der Ergebnisse belegt das Müllproblem an deutschen Flussufern nun mit Zahlen.
Müll von den Flussufern landet irgendwann auch im Meer
Die Auswertung der Daten zeigt, dass im Durchschnitt 0,5 Müllteile pro Quadratmeter Uferfläche vorkommen. Etwa ein Drittel dieses gefundenen Mülls besteht dabei aus Plastik. Neben Plastikmüll gehörten Zigarettenkippen zu den häufigsten Funden. Außerdem entdeckten die Plastikpiraten an fast allen untersuchten Flussufern Glasscherben, spitze Metallgegenstände, gebrauchte Hygieneartikel sowie weitere Materialien, die für Kinder und Erwachsene gefährlich sein können.
„Die Zahlen verdeutlichen, dass wir auch in Deutschland ein Müllproblem an Flüssen haben“, sagt Katrin Knickmeier. „Irgendwann landet dieser Müll zwangsläufig auch im Meer“, so die Leiterin der Kieler Forschungswerkstatt weiter.
Hauptmüllquelle sind die Menschen
Die Hauptmüllquelle sind nach Einschätzung der teilnehmenden Schülerinnen und Schülern an fast allen Standorten die Erholungssuchenden, die ihren Müll achtlos an den Flussufern zurücklassen. Größere Ansammlungen von Müllteilen wie beispielsweise Anhäufungen von Einweg-Plastikgeschirr, Lebensmittelverpackungen aus Plastik oder Reste von Picknicks und Grillveranstaltungen bekräftigen diesen Eindruck.
Veröffentlichung der Ergebnisse der Plastikpiraten
In der Fachzeitschrift „Environmental Pollution“ hat das Team der Kieler Forschungswerkstatt nun die Ergebnisse aus den Jahren 2016 und 2017 veröffentlicht. Vor der Veröffentlichung haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die von den Jugendlichen gesammelten Daten genau geprüft. Dies sei notwendig, da Daten aus Citizen Science Projekten innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft oft hinterfragt würden, erklärt Tim Kiessling, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kieler Forschungswerkstatt.
Zudem dankt er den vielen Plastikpiraten für ihr großes Engagement: „Ohne die Beteiligung der vielen Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte wäre eine solch groß angelegte Studie überhaupt nicht möglich gewesen. Ihr Einsatz hat ganz entscheidend dazu beigetragen, dass wir nun endlich mehr wissen über die Müllverschmutzung unserer Flüsse.“
Citizen Science Projekte vermitteln Fachwissen und geben realistische Einblicke in die Wissenschaft
Nicht nur die Forschung profitiert von dem Engagement jedes Einzelnen in Citizen Science Projekten, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger. „Citizen-Science-Projekte erzeugen nicht nur wissenschaftliche Daten“, erläutert Katrin Kruse, die das Projekt pädagogisch begleitet. „Vielmehr vermitteln sie auch Fachwissen und geben den Menschen einen realistischen Einblick, wie Forschung funktioniert. Wir hoffen auf diese Weise zu vermitteln, dass Wissenschaft für alle zugänglich ist“, so Kruse weiter.
Zudem erlaube die Beteiligung an den Plastikpiraten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ihr eigenes Konsumverhalten zu reflektieren und zu überdenken. Linda Mederake, die die Aktion für das Ecologic Institut koordiniert, betont: „Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass Citizen Science Projekte bei Schülerinnen und Schülern langfristig Interesse an einem Thema wecken können. Deshalb freuen wir uns umso mehr, dass das Projekt auch im Jahr 2019 gefördert wird.“
Selbst Plastikpirat werden!
Im Mai 2019 gehen die Plastikpiraten in die fünfte Runde. Zwei Monate lang untersuchen Kindern und Jugendliche von 10 bis 16 Jahre dann erneut deutsche Flussufer auf Plastikmüllvorkommen. Alle Informationen zur Aktion gibt es hier.
Zum Hintergrund der Plastikpiraten
Die bundesweite Citizen Science Aktion Plastikpiraten ermöglicht es Schulklassen und Jugendgruppen sich aktiv an Wissenschaft zu beteiligen. Sie untersuchen die Zusammensetzung des Mülls an Flussufern, erkunden woher der Müll stammen könnte und erforschen, ob beispielweise auch Mikroplastik über unsere Flüsse ins Meer transportiert wird.
Seit dem Start der Plastikpiraten im Herbst 2016 haben bis heute in vier verschiedenen Zeiträumen mehr als 9.000 Jugendliche an der Aktion teilgenommen. Im Rahmen ihrer Probennahmen haben sie Müll gesammelt und klassifiziert sowie ihre Ergebnisse dokumentiert und ausgewertet. Insgesamt beteiligten sich bisher Schulen und Organisationen aus allen 16 Bundesländern und erhoben an mehr als 500 Standorten Daten zur lokalen Müllverschmutzung. So leisteten sie einen wertvollen Beitrag zum Schutz der Flüsse und Weltmeere. Die meisten teilnehmenden Gruppen erforschten dabei den Rhein mit seinen Nebenflüssen, gefolgt vom Flusssystem Elbe, Weser, und Donau. Auch kleinere Fließgewässer wie die Ems und die Schwentine haben die Plastikpiraten bereits unter die Lupe genommen.
Die von den Plastikpiraten angewandte Methode haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kieler Forschungswerkstatt gemeinsam mit den Científicos de la Basura in Chile entwickelt. Die sogenannten Müllwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in Chile untersuchen bereits seit 2007 mit der Unterstützung von Citizen Science Projekten (Plastik-)Müll. Die in Deutschland gesammelten Daten tragen die Teilnehmenden auf der Projektwebseite zusammen. Ausgewertet und überprüft werden die Datensätze anschließend von der Kieler Forschungswerkstatt in enger Zusammenarbeit mit Prof. Martin Thiel von der Universidad Católica del Norte in Coquimbo.
Das Meer beginnt hier
Die Plastikpiraten sind eine Aktion des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Forschungsschwerpunkts „Plastik in der Umwelt“. Sie wird von der Kieler Forschungswerkstatt in Kooperation mit dem Ecologic Institut durchgeführt und gibt Impulse zum besseren Verständnis der Ursachen und Auswirkungen von Plastikverschmutzung. Zudem sensibilisiert die Aktion für einen bewussten und schonenden Umgang mit der Umwelt.


